Berichte der Fechtabteilung

08.06.2015 11:36

TVH-Fechten: Aus der Sicht des Einzelnen


Voraussichtlich letztes Saison-Turnier für einen Aktiven der Helmbrechtser Fechter

Statt dem fiependen Wecker eine zu schellen und ihn schlummern zu lassen, schrillen die elektrischen Meldeanlagen. Statt die warme Decke nochmal über den Kopf zu ziehen, zieht man die leicht müffelnde Maske über den Kopf. Und statt den Tag morgens langsam angehen zu lassen bei einem gemütlichen Frühstück, steht man früh morgens in einer schlecht durchlüftenden und nach kaltem Schweiß riechenden Turnhalle irgendwo in Deutschland. Und trotzdem ist es für mich jedes Mal aufs Neue fesselnd diese innere Anspannung und Aufregung zu spüren, wenn ich auf die Fechtbahn gehe und ich meine nun bereits über 10 Jahre alte, abgenutzte, schwarze Fechtmaske zum allerersten Gefecht des Tages aufsetze.

Das Gesichtsfeld verengt sich binnen Bruchteilen einer Sekunde, man spürt den steigenden Blutdruck und ich nehme durch das Lochgitter der Maske nur noch den Gegner und seine Klinge war. Alles andere wird in dem Moment zur Nebensache und ist ohne Belang, volle Konzentration auf das Go! des Obmanns.
Dann der erste Stoß, eine Finte, ein Konter, testen was der Gegner fechtet, was ist seine Taktik, wo sind seine Schwächen. Genau in diese Testphase setzt er seinen ersten Treffer, den ich nicht verhindern kann. Mist, wieder nicht aufgepasst, wieder geschlafen, wie so häufig. Gleiches Muster beim zweiten Gegentreffer und es steht bereits 0:2. Der Blick auf die Uhr verrät: gerade einmal 23 Sekunden vorbei, noch 2 Minuten und 37 Sekunden zu gehen. „Verdammt“, denke ich, „das geht zu schnell, wie macht er das?! Aaah, ich stehe zu nah dran, also weg hier“.
Die nächsten Angriffe wehre ich ab, setze meine ersten Treffer. Meine Aktionen gelingen nach und nach besser, es steht irgendwann nach langer Zeit 3:3. Wieder der Blick auf die Uhr, noch 1 Minute 17 Sekunden. Wie in anderen Sportarten dehnen sich hier auch für mich die Sekunden zu Stunden. Ich will nicht, wie so häufig, das erste Gefecht gleich verlieren. Noch während mir dieser Gedanke durch den Kopf schießt, erhalte ich den nächsten Gegentreffer. Konzentrier dich Junge! Nochmal eine Finte stellen und nochmal und nochmal, den Gegner kontern lassen, um ihn dann selber auszusperren und die eigene Spitze auf seine Brust zu setzen. 4:4, noch 26 Sekunden. Eine gefühlte Ewigkeit. Und wie immer in dieser Situation wird mir die Ewigkeit zu lange, ich verliere die Geduld, will angreifen und laufe prompt in die Falle. Die Falle, die ich in dem Moment noch sehe, als ich meinen Angriff beginne und aus der ich nun aber nicht mehr raus komme. So eine S**eiße, wieder das erste Gefecht vergeigt und auch noch so knapp mit 4:5. 
Okay, egal jetzt, ich konzentrier mich, analysiere kurz das Gefecht und denke darüber nach was besser werden muss und hake es ab. Ein paar Augenblicke später stehe ich wieder auf der Fechtbahn, der nächste Gegner steht vor mir, neues Spiel, neues Glück. Ich setze die Maske auf, das Blickfeld verengt sich, der Adrenalinpegel steigt und ich will gewinnen, meinen Gegner fertig machen.
Am Ende dieses Tages steht für mich in Saalfeld, beim meinem voraussichtlich letzten Turnier in dieser Saison, nach 22 Gefechten ein 12. Platz zu Buche. 

Hätte besser laufen können, ein Platz unter den ersten 10 wäre drin gewesen. Ich bin nicht ganz zufrieden mit mir. War aber auf jeden Fall besser, als heute Morgen im Bett liegen zu bleiben.
CC

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